Syrien: „Destination-Idlib“ (OP-ED)

Als Syriens Präsident Baschar al-Assad vor einigen Wochen der Frontlinie in Idlib einen Besuch abstattete, sprach er dortig stationierten Truppen Mut zu und erinnerte daran, dass feindliche geopolitische Manöver den Untergang der Al-Qaida nicht vereiteln könnten.

Sprich die Eröffnung weiterer Nebenkriegsschauplätze die syrischen Streitkräfte nicht daran hindern würde, das Gouvernement Idlib vollständig von Terroristen zu befreien.

Die türkische Invasion im Nordosten Syriens ist das jüngste Ablenkungsmanöver, das die SAA-Offensive kurzweilig auf Eis gelegt hat. Assads Besuch an der Front erfolgte kurz nachdem die syrische Militärmaschinerie im Spätsommer, einen trächtigen Teil des Al-Qaida Kalifats blitzartig eingestampft hatte.

Der syrische Präsident nahm während seiner Ansprache vor seinen Soldaten kein Blatt vor dem Mund, und bezeichnete sein türkisches Pendant als eine von den Amerikanern dirigierte Marionette, die alles daran setze sämtliche Terroristen-Gruppierungen in Syrien vor dem Untergang zu bewahren.

Assads Ressentiments gegenüber Recep Tayyip Erdogan, kommen nicht von ungefähr. Letzterer hat sich seit Anbeginn des Syrien-Konflikts weit aus dem Fenster gelehnt, um seinen Nachbarn mit Unheil zu überziehen. Jede Rivalität hat einen Ursprung. Die zwischen Assad und Erdogan ist auf islamistische Tendenzen zurückzuführen, wie die irische Tageszeitung The Irish Times kürzlich berichtete:

Die Türkei begann 2009 damit sich an der syrischen Staatsführung zu beteiligen, als Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen syrischen Amtskollegen bedrängt hatte eine Mehrparteiendemokratie anzunehmen. Erdogans Ziel war es das Verbot von konfessionell orientierten Parteien zu beenden. Insbesondere für die Muslimbruderschaft, ein Alliierter von Erdogans AKP-Partei. Assad hatte abgelehnt.

Erdogans Intervention begann im Mai 2011, zwei Monate nachdem die Proteste in Syrien ausbrachen. In Istanbul organisierte er ein Treffen für syrisch oppositionelle Fraktionen, um auszuloten wie man den Regime-Wechsel erzwingen könne. Im Juli begann die Türkei damit Deserteure der Syrischen Armee für die Freie Syrische Armee (FSA) zu rekrutieren, um Assad gewaltsam zu stürzen. Der wie Ankara glaubte „innerhalb von Wochen fallen“ würde.

Im August formierte Ankara den in Istanbul ansässigen Syrischen Nationalrat (SNC), eine von der Muslimbruderschaft dominierte Oppositionsgruppierung die aus Exilanten besteht die erwartet haben Assad zu beerben.“

Die Muslimbruderschaft ist das Mutterschiff der Al-Qaida, derer syrische Ableger seit 2011 wie Pilze aus den Boden schossen, und von der Erdogan-Administration kultiviert worden sind.

Von den unzähligen jihadistischen Gilden, darf man sich als Beobachter nicht verblenden lassen. Die Überzahl an Kollektiven soll offenbar erwirken, das man den Überblick verliert. Sprich den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Hingegen ist das herunterbrechen auf einen euphemistischen Überbegriff wie „syrische Rebellen“, kein richtiger Ansatz um eine profunde Interpretation und Analyse der Situation zu gewährleisten. Solche Tatsachen verwischende Propaganda, gepaart mit diplomatischer und militärischer Rückendeckung, sind die Katalysatoren gewesen jene Syrien in einen Brutkasten für Al-Qaida Metastasen verwandelt haben.

Wohingegen es von schierer Marginalisierung zeugt sämtliche militanten Fraktionen in einen Topf zu werfen, und sie umfassend als „Rebellen“ zu bezeichnen, ist es andererseits durchaus angebracht die bewaffnete syrische Opposition als homogene Terroristen-Allianz zu klassifizieren.

Lassen sie sich keinen Bären aufbinden. Es existieren keine sogenannten „moderaten Rebellen“, sondern nur von der handlangernden AKP-Regierung den USA, Israel und Golfmonarchien angeheuerte Islamisten die dazu verpflichtet worden sind stellvertretend Blut zu vergießen.

Es bedarf lediglich einen Blick auf die Kompositionen von türkisch gestützten Jihadi-Dachverbänden zu werfen, um festzustellen das es sich um gleichgestrickte Söldner-Vereinigungen handelt. Ganz gleich welchen glorreich klingenden Namen oder Akronym die Gruppierungen verwenden, oder ob sie in einem militanten Joint-Venture unterkommen. Sie weisen allesamt dieselben extremistischen Wesenszüge auf.

Das letzte Modell eines solchen zentralisierten Sammelbeckens, ist die sogenannte Syrische Nationalarmee (SNA). Ankaras bestes Pferd im Jihadisten-Stall beherbergt mindestens 30 Hardcore-Islamisten Kollektive, einschließlich der Jaish-al-Islam und der Ahrar al-Sham-Bewegung. Ersterer hat einst in Douma Alawiten in Käfige gesperrt, um sie als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Und Letzterer ist der Partner der inzwischen aufgelösten Noureddin al-Zenki, jene sich mit der Hinrichtung eines 12 jährigen Kindes einen internationalen Namen gemacht hat.

Die SNA ist nicht Ankaras einziges Eisen im Feuer. Die Nationale Befreiungsfront (NLF) ist ein weiteres Zentralorgan, welches diverse Terroristen-Gruppierungen unter seinem Schirm vereint.

Während die SNA Ankaras Dreckarbeit im Nordosten Syriens erledigen soll, ist die NLF in Idlib geblieben. Wo sie die mit Scharia-Faust herrschende Hayat Tahrir al-Sham (Al-Nusra, HTS), bei ihren terroristischen Übergriffen verstärken soll.

Diese Allianz bestätigt, dass Ankara es gelinde gesagt mit der Terrorismus-Bekämpfung nicht so genau nimmt. Zumal die türkische Regierung die HTS als Terroristen-Organisation einstuft. Wie sich jene kontradiktive Proklamation, mit direkter Unterstützung syrischer Al-Qaida Ableger vereinbaren lassen soll? Absurdistan!

Ein alle Register ziehender Erdogan hat keine Kosten und Mühen gescheut um Tatsachen in Syrien zu schaffen, die ihm eine zukünftige Einverleibung weiter Landesteile womöglich erleichtern würde.

So hat der türkische Geheimdienst gar einen von China über die Türkei nach Syrien verlaufenden Jihadi-Express installiert , der zig tausende mit falschen türkischen Pässen ausgestattete Uiguren ins Nachbarland einfielen ließ. Und nicht irgendwelche. Nein ausschließlich Terroristen von der Islamistischen Turkestan Partei (TIP). Ein Al-Qaida Satellit und Alliierter der HTS. Das Gros der TIP-Kämpfer ist derweil in der strategischen Stadt Kabani im Gouvernement Lattakia stationiert, wo sie gemeinsam mit HTS-Kräften die mächtigste Verteidigungslinie bilden. Was vor allem mit der bergigen Geographie zusammenhängt. Wer in Kabani die umliegenden Anhöhen und Gipfel besetzt hält, hat gegenüber seinem Gegner einen entscheidenden Vorteil. Bislang konnten die TIP und HTS jene Avantage für sich beanspruchen, und ihren Untergang hinauszögern.

Seit über zwei Jahren hat sich die Erdogan-Regierung als Astana-Partner dazu verpflichtet, Idlib von Terroristen zu säubern. Zwecks dieser Mission stimmten Russland und Iran mitunter der Errichtung von „Beobachtungsposten“ zu. Um seinen Unwillen die Al-Qaida in Idlib zu bekämpfen zu kaschieren, baute Ankara unentwegt Luftschlösser.

Wie beispielsweise inventierte Präventivmaßnahmen, die sich zunächst darauf konzentrieren sollten die Spreu vom Weizen zu trennen. Sprich nicht existente moderate Kräfte und schlechte Jihadisten-Äpfel erst separiert werden müssten, bevor man den Kampf aufnehmen könne. Dies stellte sich unmittelbar nach der primären Verkündigung, als Trugschluss heraus.

Ankara unternahm rein gar nichts, um seine Postulierungen umzusetzen. Was den Schergen in Idlib kontinuierlich Übermut einhauchte, und terroristische Angriffe multiplizierte. Diese untragbare Situation gewann dementsprechende militärische Gegenantworten ab.

Moskau und Damaskus haben stets hinreichend Geduld aufgebracht, doch den türkisch gestützten Kadern und ihren Befehlsgebern unentwegt zu verstehen gegeben, dass jener Status Quo nicht für die Ewigkeit währen kann. Demzufolge ist eine Dezimierung von Gefahrenquellen unabdinglich.

Im Sommer vergangenen Jahres blies die syrische Armee zum Großangriff auf Idlib, und war drauf und dran die Hayat Tahrir al-Sham und ihre türkisch gestützten Schutzstaffeln auszurotten.

Von diesen Entwicklungen wenig angetan mobilisierte Erdogan seine westlichen Impulsgeber, um die Offensive auf Idlib zu vereiteln. Es folgten eigens verfasste Appelle die von US-Zeitungen publiziert wurden um genügend Aufschreie zu entfachen, welche die Russen und Syrer in ihre Schranken weisen sollten. Ein „Blutbad und Massaker“ stünde bevor, wenn man Moskau und Damaskus nicht aufhielte, hieß es damals.

Jene Al-Qaida protektierende Schwarzmalerei erreichte gar US-Präsident Trump. Der sich damals einschaltete und schwerwiegende Konsequenzen androhte, sollten die syrische Armee und Moskau die Kampfhandlungen nicht einstellen. Jene Inschutznahme resultierte in einer weiteren einseitigen Waffenruhe, und veranlasste Russland dazu seinem Astana-Partner abermals Zeit einzuräumen.

Diesmal um in der Peripherie von Idlib, eine entmilitarisierte-Zone zu installieren. Im Zuge dessen erklärte Ankara sich dazu bereit, alle Terroristen samt schweren Waffen aus der „Pufferzone“ zu geleiten.

Es war kaum Zeit ins Land gezogen, und die von Moskau und Ankara ins Auge gefasste Zone, war fast vollständig von der HTS eingenommen worden. Dortig stationierte türkisch gestützte Formationen verzogen sich im nu, und überließen ihren jihadistischen Waffenbrüdern das Feld. Ohne jegliche Gegenwehr.

Seit jeher hat Ankara offiziell die Flinte ins Korn geworfen, und legt die Hände in den Schoss. Wie eingangs dieses Artikels angedeutet, hat jene untragbare Gesamtsituation Damaskus forciert, im Spätsommer diesen Jahres in die Offensive zu gehen.

Hingegen erwies sich die gebietsweise Rückeroberung erneut als nicht hinlänglich, da die HTS , die türkisch gestützte NLF und alle anderen Idlib beherbergenden Terroristen-Kollektive sich bis dato keines besseren belehren lassen, und ein Gebaren an den Tag legen das schier danach schreit ausgemerzt zu werden.

Der in Idlib zusehends in Bedrängnis geratenen HTS bedurfte es einer weiteren Intervention, um die rastlos vorrückende syrische Armee zu bremsen. Welche in Form der türkischen Invasion im Nordosten erfolgte.

Jenes von Ankara initiierte Ablenkungsmanöver war glücklicherweise nur von kurzer Dauer, da die kurdischen SDF/YPG minutiös zur Besinnung kamen und Russland und Damaskus die Hand reichten. Nachdem sich die Wogen im Nordosten Syriens glätteten, und Maßnahmen getroffen wurden die ein Vorrücken der türkischen Militärmaschinerie eindämmten, widmeten sich Moskau und Damaskus wieder voll und ganz den unentwegt aufmüpfigen Terroristen-Herd in Idlib.

Indes hatte die HTS mehrere Versuche unternommen ihre Gebietsverluste zu revidieren. Also die Füße nicht stillgehalten wie eigentlich vorgesehen. Scharmützel, Raketenangriffe und HTS-Übergriffe sind mittlerweile an der Tagesordnung.

Der Kreml ist Ankaras Untätigkeit allmählich überdrüssig. Russlands Außenminister, Sergei Lavrov, ließ kürzlich verlautbaren, das es an der Zeit sei die Al-Nusra in Idlib auszulöschen, zumal die Türkei offenbar nicht das Vermögen aufbringt die Terroristen-Organisation zum einlenken zu bewegen.

Lavrov wörtlich: „Idlib ist zu einer Brutstätte für Terrorismus verkommen. Dort sind unsere türkischen Kollegen offenbar nicht in der Lage ihren Verpflichtungen nachzukommen, die Teile der bewaffneten Opposition von der Al-Nusra zu trennen, welche nicht von Terrorakten befleckt sind. Wofür unsere türkischen Kollegen sich im September vergangenen Jahres verpflichtet haben.“

Also Moskau hat offensichtlich die Faxen dicke, und bringt dies öffentlich zur Sprache. Bei solch wachrüttelnder Rhetorik sollte es nicht bleiben, und die Anzeichen verdichten sich das es zeitnah zum finalen Schlag kommen wird. Ergo die Mutter aller Schlachten bevorsteht.

Das die HTS und Ankara ebenfalls wittern das ein Orkan aufzieht, geht aus diversen Nachrichtenberichten hervor. Laut dem online Portal xeber 24 habe der türkische Geheimdienst (MIT) Kommandeuren der Hayat Tahrir al-Sham und Nationalen Befreiungsfront kürzlich mitgeteilt, das die Türkei in Bezug auf Idlib bislang keine schlüssige Vereinbarung mit Russland habe treffen können, und das sich die jeweiligen Fraktionen darauf vorbereiten sollten syrische Regierungskräfte und ihren russischen Alliierten zu konfrontieren.

Anderen Meldungen zufolge machten sich gewisse Al-Qaida Ableger daran Plünderungen nachzugehen, und interne Machtkämpfe anzuzetteln. Im September machten bereits Nachrichten die Runde, die besagten das die Führungsetage der HTS von korrupten Individuen durchsetzt sei, jene sich auf Kosten der Kommandostruktur bereicherten. Der geständige HTS-Kommandeur Abu Abd al-Ashda, sprach von Veruntreuungen und überproportionaler Geldgier. Kurzum die Al-Qaida Kommandeure horten Reichtümer, um wie Ratten rechtzeitig das sinkende Schiff verlassen zu können.

Übereinander herfallende Islamisten-Söldner und damit einhergehende aufweisende Schwächen in der Kriegsführung, spiegeln sich in den derweil rapide stattfindenden Rückeroberungen von Städten und Ortschaften im Südosten Idlibs wieder. Wo syrische Regierungskräfte jüngst weiteren Boden gutgemacht haben, und unerbittlich vorstoßen um etappenweise der Al-Qaida den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Im Südosten Idlibs überschlagen sich die Ereignisse. Primäre Ziele der jüngst eingeleiteten SAA-Offensive ist die Sicherung eines weiteren Abschnitts des strategischen M5 Highways und die damit zusammenhängende Einnahme von den Städten Maraat al-Numan und Saraqib. Die zwei größten urbanen Zentren im Gouvernement Idlib.

Nach bisherigem Kenntnisstand legt die syrische Armee ein atemberaubendes Tempo vor. Bleibt zu hoffen das sie jenes Momentum aufrechterhalten kann und nicht wieder von diplomatischen Grabenkämpfen unterbrochen wird. Vielleicht heißt es zu Beginn nächsten Jahres, das Kalifat ist gefallen. Jene Errungenschaften sind weniger militärisch bedingt, sondern hängen davon ab ob die USA, Golfmonarchien und die Türkei gewillt sind ihre Al-Qaida fallen zu lassen. Erinnern wir uns abschließend daran was der einstige Sonderbeauftragte für die anti-ISIS-Koalition in Syrien, Brett McGurk, uns über Idlib beigebracht hat.

Verf.R.R.

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