Syrien-Idlib: Nach dem Putin-Erdogan Treffen, ist vor dem Putin-Erdogan Treffen. (OP-ED)

Von dem mit Spannung erwarteten Treffen zwischen den jeweiligen Staatsoberhäuptern der Türkei und Russland, bezüglich der heiklen Situation in Idlib, hat die Erdogan-Administration sich bestimmt weitaus mehr erhofft.
Im Vorfeld der unbedingt von Ankara gewollten Krisengespräche, hatte der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan, stets auf eine von Wunschdenken dirigierte Rhetorik zurückgegriffen, um das von ihm ausgekochte Debakel zu relativieren.
Sich unentwegt auf das Sochi-Abkommen berufend, bemühte Erdogan sich fortwährend darum, seine Eskapaden in Syrien als reaktionäres Gebaren zu porträtieren. Ausschließlich die syrische Armee sei Schuld daran, dass die türkisch gestützte Al-Qaida Allianz (Hayat Tahrir al-Sham & Co in Kombination mit Ankaras stellvertretenden Islamisten-Brigaden) kontinuierlich die syrische Zivilbevölkerung terrorisiert, Stellungen angreift, Feuerpausen bricht, Beschlüsse missachtet und die Einwohner Idlibs als menschliche Schutzschilde missbraucht. So in etwa Erdogans bizarre Sichtweise.
Mit allen Mitteln verhindern wollend das Idlib die Befreiung von Terroristen erlebt, hat Ankara die willkürliche Entscheidung getroffen aktiv am Kriegsgeschehen teilzunehmen.
Die Entsendung von Hundertschaften türkischer Truppen und schwerem Militärgerät in das Gouvernement, stellt einen direkten Bruch der jeweiligen Astana und Sochi Beschlüsse dar.
Zumal die türkische AKP-Regierung sich mehrfach obligierend dazu bereit erklärt hat, sich an der Ausrottung von allen Al-Qaida Auswüchsen zu beteiligen, und diese nicht zu protektieren. Ankara hat die Astana Klauseln und das Sochi Memorandum, offenbar fehlinterpretiert und missverstanden.
Bedauerlicherweise resultierte jene törichte Engstirnigkeit, in dem Ableben von mindestens 50 türkischen Soldaten. Was der Erdogan-Administration den vermutlich erhofften Vorwand lieferte eine Eskalation anzustreben, die den Syrien-Konflikt in seiner letzten Runde abermalig internationalisieren sollte.
Das russische Verteidigungsministerium hat Erdogans realitätsferne Darstellungen allesamt zurückgewiesen, und frank und frei ausgesprochen was der halben Welt auf der Zunge brennt. Nämlich das die offenkundige Schützenhilfe für Terroristen, die Hauptursache dafür ist das türkische Soldaten ums Leben gekommen sind.
Laut den Astana und Sochi-Übereinkünften, soll türkisches Militärpersonal sich lediglich auf dem Gelände der sogenannten Beobachtungsposten (12 offiziell) aufhalten, und nicht an die Front ziehen.
In Bezug auf die Zweckmäßigkeit der Posten, ließ die russische Botschaft in Syrien jüngst verlautbaren.
„Die Türkei hat zugelassen das ihre Beobachtungsposten, jene 2018 unter den Sochi-Deal errichtet worden sind, mit terroristischen Basen in Idlib nahezu verschmelzen. Gegen das Völkerrecht verstoßend, hat sie vor Ort eine Kampftruppe von der Größe einer mechanisierten Division stationiert.“
Desweiteren hat Ankara seinen in Idlib stationierten Truppen den Schießbefehl erteilt. Türkische Soldaten haben sich vor einigen Tagen ungestört dabei filmen lassen, wie sie russische Kampfjets vom Himmel holen wollen. Eine höchst besorgniserregende Entwicklung, die nahelegt das der türkische Präsident in vielerlei Hinsicht, gelinde gesagt, den Verstand verloren hat.
Diese Ereignisse waren die Vorboten für die jüngste türkische Niederlage an der diplomatischen Front. Der aufsehenerregende Putin-Erdogan-Gipfel, hat sich für Ankara nicht wirklich ausgezahlt.
Symbolträchtig unter Katharina der Großen (Kaiserin von Russland, hat gegen das osmanische Reich Krieg geführt und den Türken die Krim genommen) in Reih und Glied aufgestellt, beobachtete die ihren Frontmann begleitende türkische Delegation, eine unterkühlte Begrüßungszeremonie. Erdogan nahm daraufhin an der Seite seines russischen Pendants, unter einer weiteren aussagekräftigen Statue platz. Jene die Donkosaken der russischen Armee symbolisiert, wie sie 1877, während des Krieges gegen die Türkei, jenen die Russen gewannen, das Balkangebirge überqueren. Jene subliminalen Hinweise sind von dem Kreml brillant eingefädelt worden. Psychologische Kriegsführung par excellence. Ob die türkische Delegation verstanden hat, was die Russen veranstalten? Die Abfuhr das brisante Meeting auf türkischem Boden abzuhalten in Kombination mit der Positionierung türkischer Amtsträger in Gegenwart von Symboliken die vermitteln das die Türkei in ihrer Geschichte mehrfach von Russland geschlagen wurde, zeugt von überlegender Superiorität.
Nach fast dreistündigen Vieraugen-Auseinandersetzungen zwischen Putin und Erdogan hinter verschlossenen Türen, stießen anschließend die jeweiligen Delegationen dazu.
Nach beinahe sechsstündigen Konsultationen, traten die jeweiligen Parteien vor die Presse. Vladimir Putin hielt sich vage und äußerte lediglich einige Worte, von wegen das die Gespräche „nicht einfach doch produktiv“ gewesen seien. Wohingegen Erdogan weder einen Anflug von Reue noch Einsicht erkennen ließ, und seine abwegigen Schuldzuweisungen von sich gab. Ausschließlich das „syrische Regime“ trage die Verantwortung für die Zuspitzung der Lage in Idlib. Natürlich war dem türkischen Staatspräsidenten, zu keinem Zeitpunkt der Terminus Terrorist abzugewinnen. Nach Erdogans Auffassung, seien derartige Entitäten inventierte Geschöpfe. Seine Aussage das die syrische Regierung vier Millionen in Idlib ansässige Menschen allesamt als Terroristen einstuft, untermauert das er derjenige ist, der keine Unterschiede macht, und die geschätzt 150 000 Jihadis samt ihren Familien zu der ortsgebundenen Bevölkerung zählt.
Die Ironie an Erdogans Auftritt ist, dass seine vorgetragenen Postulierungen umgehend entkräftet wurden, als Russlands Außenminister, Sergei Lavrov die bilaterale Stellungnahme zu dem Treffen verlas.
Basierend auf den zuvor vereinbarten Astana und Sochi-Abkommen, verpflichten Russland und die Türkei sich dazu Syriens territoriale Integrität und Souveränität zu wahren, und alle Erscheinungsformen des Terrorismus in Syrien auszumerzen.
„Wir sind entschlossen den Terrorismus zu bekämpfen, und alle terroristischen Gruppierungen auszurotten, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als solche anerkannt werden,“ so Lawrow.
Der russische Spitzenbeamte fügte hinzu, dass ab Mitternacht, den 6.März, eine weitere, höchstwahrscheinlich belanglose ,Waffenruhe in Kraft trete, und das beschlossen worden ist eine von russischen und türkischen Militärs bewachte entmilitarisierte Zone zu schaffen, welche die Abschnitte des M4 Highways sichern soll, jene durch das Al-Qaida Gebiet in Idlib verlaufen.
Die Umsetzung jener Pufferzone ist sicherlich keine Mission nach Ankaras Vorstellung. Zumal sie die Possibilität in sich birgt, dass die AKP erstmalig dazu forciert wird sich gegen ihre eigenen Stellvertreter zu stellen. Die übrigens bereits proklamiert haben, sich nicht an die deklarierte Waffenruhe halten zu wollen.
Vor diesem Hintergrund ist es kaum denkbar, das die Installation des Sicherheitskorridors zur Sicherung des M4 Highways, ohne Gewaltausübung umgesetzt werden kann.
Wie russische Patrouillen dieses feindliche Gebiet unbehelligt frequentieren sollen, um die immens wichtige Verkehrsader zu sichern, ist angesichts der hiesigen Al-Qaida-Präsenz schier rätselhaft.
Ferner haben die syrischen Al-Qaida Ableger verkündet ihre Angriffe gegen syrische Regierungskräfte, wie gehabt fortzusetzen. Was in zeitnahe Aussicht stellt, dass Gegenreaktionen der syrischen Regierungskräfte unabdingbar sind.
Nochmals jedwede terroristische Ausgeburt, ist von allen künftigen Friedensinitiativen und Waffenruhen ausgeschlossen. Und sollten diese Elemente weiterhin in Verbund mit türkisch gestützten Entitäten Angriffe initiieren, wird Letzterer fortwährend unter Beschuss geraten. So sieht es die jüngste russisch-türkische Übereinkunft vor.
Das alternative online Portal Southfront hat eine graphische Karte erstellt, die veranschaulicht welchen Raum der geplante Sicherheitskorridor zur Sicherung der M4-Verkehrsader im Süden Idlibs einnimmt, und hat folgende Problematiken angesprochen.
Diese Karte bietet einen allgemeinen Überblick über die von Russland und der Türkei im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens über Idlib vom 5. März vereinbarte M4-Pufferzone. Dem Abkommen zufolge sollte die Pufferzone von radikalen Elementen befreit, und gemeinsame russisch-türkische Patrouillen in der Region gestartet werden. Das Problem ist, dass die Stadt Jisr al-Shughur und ihre Landschaft von der Turkistan Islamic Party, eine mit der Al-Qaida verbundene terroristische Gruppierung, kontrolliert werden. Daher sollten Al-Qaida-Mitglieder irgendwie aus dem Gebiet verschwinden, oder es ist eine militärische Aktion erforderlich, um das Abkommen umzusetzen. (Google-Übersetzung)

Bei aller fantasiereicher Vorstellungskraft, will sich dem aufgeweckten Beobachter einfach nicht erschließen, wie Ankara diese Aufgabe bewältigen soll.
Es hat ja schon bei der Installation der entmilitarisierten Zone, welche in Sochi 2018 beschlossen wurde, auf ganzer Linie versagt. Und dies war eine Pufferzone nach Erdogans Ermessen. Also ein Konstrukt, das die Vorteilhaftigkeit in Richtung türkische Seite ausschlagen lassen hat.
Die frisch anberaumte Zone hingegen kommt der syrischen Regierung zugute, die im nachhinein der erfolgreichen Befreiung der kompletten M5 Verbindungsstraße, nun darauf besteht auch die M4 wiedereröffnen zu können.
Erdogan hat seine Feuerpause bekommen, doch dafür schmerzvolle Abstriche machen müssen. Beispielsweise sind die unter der Sochi-Übereinkunft beschlossenen Grenzen, der ohnehin gescheiterten entmilitarisierten Zone, passe. Das heißt die syrische Armee wird sich nicht, von allen jüngst befreiten Gebieten in Süd-Idlib und West-Aleppo zurückziehen. Dies war nicht anders zu erwarten.
Das türkische Staatsoberhaupt hat vor seinem Reiseantritt nach Moskau noch große Reden geschwungen, dass Damaskus per Waffengewalt schon zum Rückzug bewegt würde.
Eine weitere türkische Militäroperation mit fadenscheinigen Aufhänger, sollte es richten. Doch die als Schutzstaffel für Al-Qaida-Kämpfer entsandten türkischen Truppenkontingente, sahen sich bislang mit beispielloser Gegenwehr konfrontiert, und nicht in der Lage wieder Oberwasser zu bekommen.
Erdogan ist ohne militärischen Trumpf im Gepäck, zu den Verhandlungen nach Russland geflogen. Das einzige Druckmittel das ihm geblieben ist, sind seine „syrischen Brüder und Schwestern“, die er nun in Scharen in Transportmittel setzt, und sie an die griechisch-türkische Grenze verfrachtet.
Hingegen hat jener Verzweiflungsakt, weder den Ausgang des bilateralen Gipfels mitbestimmt, noch der Erdogan-Administration einen signifikanten Vorteil verschafft.
Im Gegenteil. Der selbsternannte Sultan von Idlib, hat nun von den Russen eine Mission in den Schoss gelegt bekommen, die abermalig aufzeigen wird das er kein vertrauenswürdiger Verhandlungspartner ist.
In Anbetracht Ankaras mangelhaftem Portfolio, kann gesagt werden das sämtliche Vertrauensvorschüsse verspielt sind. Seit 2017 beteuert die AKP-Regierung, die soeben erneut bekanntgegebenen Klauseln zu verwirklichen. Dennoch ist sie diesbezüglich nie wirklich zu Potte gekommen. Was die gesunde Skepsis des Menschenverstand nährt, das die neue Waffenruhe und die blauäugig geplante Sicherung der M4, höchstwahrscheinlich ein ähnliches Schicksal widerfahren werden.
Mit anderen Worten Ankara keinen Finger rühren wird, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Ferner wird es über sämtliche terroristischen Sabotageakte, zwecks der Untergrabung der Waffenruhe, hinwegsehen. Und umgehend laut aufschreien, sobald die Gegenseite zurückfeuert. Kurzum nach dem Putin-Erdogan Gipfel ist vor dem Putin-Erdogan-Gipfel!
Verf.R.R.