Machtpoker in Nord-Syrien- Wer geht als Sieger hervor? (OP-ED)

Das geopolitische Machtpoker um die zukünftigen Belange der Syrisch Arabischen Republik, hat infolge des Erdogan-Putin Gipfels einen womöglich historischen Wendepunkt erreicht.

Erstmalig seit dem Ausbruch des Syrien-Konflikts macht der türkische Okkupant Anzeichen von Reserviertheit, und scheint zu akzeptieren das ein Regime-Wechsel in weite Ferne gerückt ist. Der von US-Präsident Donald Trump ad hoc angeordnete Truppenabzug aus Nord-Syrien, hat zweifelsohne eine Kettenreaktion ausgelöst, die aus Sicht von Washington offenbar keinen optimalen Ausgang nehmen wird.

Ankara ließ sich von Trump nicht zweimal bitten, und blies unmittelbar zum Angriff auf die „verratenen“ US-gestützten Syrisch Demokratischen Kräfte (SDF) um syrische Grenzgebiete einzuverleiben und einen sogenannten „Friedenskorridor“ einzurichten.

Die von den USA abgesegnete türkische Invasion, hatte hingegen einige außergewöhnliche Begleiterscheinungen aufzubieten. Anders als bei Ankaras blitzartiger Übernahme der syrischen Stadt Afrin, entschieden sich die kurdischen Separatisten dazu ihre illusorischen ohnehin blauäugigen föderalistischen Hirngespinste hinten anzustellen, und trafen eine Vereinbarung mit Damaskus jene darauf hinauslief das die syrische Armee in diversen SDF-Kontrollgebieten einrückte.

Womit der Handlungsspielraum der türkischen Offensive deutlich eingeschränkt wurde. Diese unbeabsichtigten Konsequenzen haben Ankara kalt erwischt, und vor vollendete Tatsachen gestellt.

In denjenigen Gebieten wo die syrische Armee kürzlich Stellungen bezogen hat und Verteidigungsmechanismen einleitete, geht eine russische Militärpräsenz mit einher. Demzufolge sind der AKP-Regierung die Hände gebunden die jeweiligen zuvor ins Auge gefassten Städte zu annektieren, was sie schließlich forcierte gehörige militärische Abstriche zu machen. Mit zunehmender Zeit minimierten sich Ankaras abgesteckte Ziele, da die syrische Armee kontinuierlich ihre Stationierung ausweitete.

Erdogans zwischen zwei Weltmächten angestrebter Spagat, hat der Türkei schon so einige ungemütliche Strapazen beschert. Nichtsdestotrotz tanzt der Sultan immer noch auf mehreren Hochzeiten, und fährt demnach auch im Rahmen der Einrichtung seiner ersehnten“Sicherheitszone“ zweigleisig.

Moskau hat hingegen erst wieder an Attraktivität gewonnen, nachdem das türkisch-amerikanische Debakel grässliche Züge annahm, und gar dazu ausartete das die USA androhten ihren türkischen NATO-Partner wirtschaftlich in den Grund und Boden zu richten, sollte dieser seine Offensive gegen die SDF nicht umgehend einstellen. Im Gegenzug sollten sämtliche kurdische Milizen sich aus dem anberaumten Grenzstreifen zurückziehen, um der Einrichtung der Zone nicht mehr im Wege zu stehen.

Eine amerikanisch-türkische auf 120 Stunden belaufende Waffenruhe sollte der türkischen Gegnerschaft Zeit einräumen, sich wie abgemacht zurückzuziehen. Doch bevor das angesetzte Ultimatum verstrich fand in Sochi der Putin-Erdogan-Gipfel statt, der laut Berichten fast sieben Stunden Zeit in Anspruch genommen habe, und ein womöglich richtungsweisendes Memorandum hervorgebracht hat.

Laut der Vereinbarung sollen syrische Grenzkräfte und russische Militärpolizei auf der syrischen Seite der syrisch-türkischen Grenze stationiert werden, ausgenommen vom Operationsgebiet der Mission Friedensquelle, jenes sich von Tell Abyad bis nach Ras al-Ayn erstreckt und 32 km tief reicht.

Wie das russische Verteidigungsministerium indes bekanntgab sollen in diesem Rahmen an der Grenze zur Türkei zeitnah 15 syrische Beobachtungsposten entstehen. Die syrisch-russischen Kräfte sollen innerhalb von 150 Stunden sämtliche Elemente der kurdischen Milizen 30 km von der Grenze zurückdrängen, so das Memorandum. Ferner sollen westlich und östlich des besagten Besatzungsgebiets der Operation Friedensquelle, alsbald russisch-türkische Patrouillen stattfinden, allerdings von der Grenze aus gesehen nur im Abstand von 10 km.

Desweiteren heißt es das das 1998 in Kraft getretene 2011 von Ankara gebrochene „Adana-Abkommen“ reaktiviert werde. Unter jener damaligen Vereinbarung verpflichteten Ankara und Damaskus sich dazu Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen das terroristische Unterwanderungen der jeweiligen Staaten unterbunden und vereitelt werden.

Welche der Parteien in den vergangenen neun Jahren deutlich zu verstehen gegeben hat, das das einstige Abkommen für sie nicht mehr von Bedeutung ist, dürfte klar sein. Ankara hat sich zudem abermals dazu bereit erklärt die politische Einheit und die territoriale Integrität Syriens zu wahren, und sämtliche Auswüchse des Terrorismus ausmerzen zu wollen. Hierzu sei gesagt das der Terminus Terrorismus von Ankara recht großzügig ausgelegt wird, was zufolge hat das Al-Qaida nahe Gruppierungen bis dato auf der Gehaltsliste der AKP-Regierung stehen.

Bleibt abzuwarten inwiefern die Beteuerungen von allumfassender Terrorismus-Bekämpfung ernst gemeint sind. Insbesondere die Situation in Idlib wird aufzeigen ob die Erdogan-Administration ihren Obligationen nachkommt, was sie trotz etlicher unterzeichneter Astana-Abschlusskommuniques mit identischem Wortlaut bislang nicht auf die Reihe bekommen wollte.

Erdogan hat zwar vorläufig einen Teil des Grenzgebiets ergattern können, nichtsdestotrotz erinnerte ihn sein russischer Amtskollege Vladimir Putin, während der gemeinsamen abschließenden Pressekonferenz des Gipfels in Sochi daran, das alle ungebetenen Gäste in Syrien auf absehbare Zeit das Land verlassen müssten, womit auch die türkischen Truppen gemeint sind.

Wie es beim Machtpoker nun mal der Fall ist, bekommt keine Seite den ganzen Kuchen zugesprochen. Dennoch haben Damaskus und Moskau das weitaus größere Stück abgegriffen. Von einem militärischen Standpunkt aus gesehen, werden die türkischen Kräfte und ihre Islamisten-Phalanx von ihrer Gegnerschaft zeitnah umzingelt sein. Zudem sollte angemerkt werden das alle türkisch besetzten Gebiete in Syrien zu Höllenlöchern verkommen sind, in denen extremistische Islamisten-Kollektive die Bevölkerung terrorisieren und regelmäßig interne Machtkämpfe austragen. Ausgeplünderte Orte in denen Verbrechen florieren.

Womit gesagt werden soll das die Besatzungszonen in dieser Form keine Gegebenheiten bieten, um Flüchtlinge einzuquartieren. Demnach wird das jüngst von dem türkischen Militär und seinen Jihadisten-Brigaden einverleibte Stück an der syrisch-türkischen Grenze genauso verfallen, wie Afrin, Al-Bab etc. Und es hat kaum ein paar Tage gedauert und Autobomben gehen im türkisch besetzten Tel Abyad in die Luft. Laut regionalen Medienberichten sei unweit eines Hauptquartiers der türkisch gestützten sogenannten „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) eine Autobombe detoniert.

In allen anderen türkischen Besatzungsgebieten sind solche Zustände Normalität. Nichts für Ungut, aber eine langwierige Niederlassung von Ankaras militanter Infanterie, zieht unmittelbar eine erodierende Sicherheitslage nach sich, was nicht nach Russlands Gusto sein dürfte.

Die SDF haben sich indes bei Moskau dafür bedankt, das die Türkei ihre Offensive eingestellt hat. Umgehend nach dem Putin-Erdogan-Gipfel ließ Ankara verlautbaren, das es keine Notwendigkeit mehr darin sähe seine Militäroperation Friedensquelle fortzusetzen. Solche Kompromissbereitschaft war infolge von US-Vizepräsident Mike Pences Türkei-Visite nicht zu vernehmen. Zwar erklärte Ankara sich dazu bereit einer fünftägigen Waffenruhe zuzustimmen, allerdings nur unter Vorbehalt nach dem Verstreichen des Ultimatums und beim geringsten Anzeichen einer nicht Einhaltung der türkisch-amerikanischen Abmachung, die Kampfhandlungen umgehend wieder aufzunehmen.

Hinsichtlich der Abwesenheit amerikanischer Truppen in der umkämpften Region im Norden Syriens, war Washington ohnehin kaum an einer erfolgreichen Umsetzung interessiert, und hätte wenig dagegen ausrichten können wenn es zu einer militärischen Eskalation zwischen Ankara und den SDF gekommen wäre.

Ob Washingtons monetärer Druck auf Dauer Wirkung gezeigt hätte ist ebenfalls fraglich, da die Situation sich dahingehend entwickelt hat das die syrische Regierung auf den Plan gerufen wurde, und Ankaras Handlungsspielraum allmählich zu bröckeln anfing. Was der ausschlaggebende Grund dafür sein dürfte das die Erdogan-Administration eher dazu tendierte mit Russland auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. anstatt auf die abziehenden Amerikaner zu setzen.

Washington hatte infolge des Truppenabzugs aus dem Norden keinen Einfluss mehr auf die Entwicklungen, und konnte demzufolge auch nicht verhindern das seine kurdischen Alliierten die syrische Regierung und Moskau um Hilfe baten. Also haben die USA ihrem türkischen NATO-Partner mit dem abrupten Truppenabzug letztlich keinen Gefallen getan, und die Weichen für das russich-türkische Memorandum gestellt.

Wie weiter oben beschrieben hat die Türkei erst im Nachhinein des Treffens in Sochi bekanntgegeben, das aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit mehr bestünde die Militäroperation fortzuführen, worauf sich schließen lässt das jene Entschlossenheit von dem Einwirken der russischen Seite herrührt, und nicht auf amerikanischem Mist gewachsen ist, wie es der amerikanische Präsident derweil behauptet.

Donald Trump hat sich kürzlich angemasst die russischen Lorbeeren für sich zu beanspruchen. „Dieser Ausgang ist von uns, den Vereinigten Staaten herbeigeführt worden, und von niemand anderen, keiner Nation,“ so der POTUS der offensichtlich einiges verpasst hat, vor allem das Russland und Damaskus das Zepter übernommen haben.

Laut Trump habe der SDF-Chef ,Mazloum Abdi, ihm dankend nahegelegt das er es zu schätzen wüsste, was die USA getan hätten. Womit sich die syrischen Kurden offenbar eine Tür offen halten wollen, insbesondere da die USA indes preisgegeben haben das sie ihre Besatzung syrischer Ölfelder aufrechterhalten werden. Auf Twitter forderte Trump seine devoten treuergebenden Statthalter gar indirekt dazu auf, sich in die ölreiche Region zu begeben.

Ob die zum unzähligsten male von den Amerikanern fallen gelassenen kurdischen Milizen sich weiterhin ausnutzen lassen werden? Wird sich zeigen. Mazloum Abdis Danksagungen gen USA muten an das die düpierten SDF ihr altbekanntes schlechtes Erinnerungsvermögen aktivieren, um sich ihre amerikanischen Gönner warm zu halten. Wie sich solche mutmaßlichen Intentionen mit dem kürzlich getroffenen Abkommen zwischen den SDF und Damaskus vereinbaren würden, kann nach bisherigem Kenntnisstand nur spekuliert werden. Konkludierend kann festgestellt werden das die Assad-Regierung als primärer Nutznießer des Thrillers in Nord-Syrien hervorgeht.

Verf.R.R.

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